Ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts für Freizügigkeitsrecht

Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat mit seinem Urteil vom 03.03.2022 (Az. 13 ME 507/21) klargestellt, welche Maßstäbe für das Kriterium der "ausreichenden Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts" für die Inanspruchnahme des Freizügigkeitsrechts in Deutschland gelten (§ 4 FreizügG i.V.m. Art. 7 I lit. b) der Richtlinie 2004/38/EG - Freizügigkeitsrichtlinie oder Unionsbürgerrichtlinie). Diese Entscheidung ist entscheidend für Ihren Aufenthalt in Deutschland.

Der Fall: Polnische Staatsangehörige, die nicht erwerbstätig ist

Freizuegigkeit für EU Bürger nur mit ausreichendem Mitteln für Lebensunterhalt

Bei der Antragstellerin handelt es sich um eine polnische Staatsangehörige, die in Deutschland nicht erwerbstätig ist, über einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz verfügt, seit 2012 in Deutschland lebt und sich von Sozialleistungen (nach SGB II und SGB XII) finanziert. Seitdem das Ausländeramt den Verlust Ihres Freiizügigkeitsrecht bemerkt hat, bezieht sie seit neun Monaten keine Sozialhilfe mehr. Wenn die Ausländerbehörde das Ende der Freiizügigkeitsrecht feststellt, ist das vergleichbar mit dem Erlöschen einer Aufenthaltserlaubnis.

Bestimmung des ausreichenden Einkommens

Das Gericht legt für die Behörden eine dreistufige Prüfung fest, ob der Lebensunterhalt der Familie gesichert ist, oder nicht. Es ist absolut falsch, von einem Unionsbürger strikt den Nachweis fester Beträge zu verlangen.

In der ersten Stufe wird der Unionsbürger mit den üblichen finanziellen Voraussetzungen für ein Leben in Deutschland auf der Grundlage der Sozialhilfevorschriften überprüft. Es gibt keine Beschränkungen für die Quelle der Mittel für seinen Lebensunterhalt und den seiner unmittelbaren Verwandten (EuGH-Urteil vom 19. Oktober 2004 - Rs. C-200/02 - [Zhu und Chen]; bestätigt mit Urteil vom 16. Juli 2015 - Rs. C-218/14 - [Singh u.a.]), abgesehen vom dauerhaften und zuverlässigen Erhalten dieser Mittel. Diese Quellen können eigene Ersparnisse, versicherungsähnliche Leistungen der öffentlichen Hand (z. B. Arbeitslosengeld) und die Unterstützung durch Verwandte sein. Der Erhalt anderer staatlicher Leistungen, mit Ausnahme der gerade erwähnten "harmlosen", ist ein deutliches Zeichen dafür, dass für den Lebensunterhalt nicht gesorgt ist.

Wenn der erste Schritt scheitert, muss der Unionsbürger in einem zweiten Schritt die Chance erhalten, nachzuweisen, dass er einen individuell geringeren Bedarf hat und dass dieser Bedarf gedeckt ist und wie, denn ein automatischer Ausschluss ist verboten.

Bleiben diese beiden Schritte erfolglos, so ist der Umfang der (voraussichtlichen) Inanspruchnahme von Grundsicherungs- oder Sozialhilfeleistungen in Deutschland nach Art. 14 III der Richtlinie 2004/38/EG zu prüfen. Bei der Zuwanderung ist eine Abwägung zwischen dem individuellen Bedürfnis nach sozialer Sicherheit und einer unzumutbaren Inanspruchnahme von Sozialhilfe vorzunehmen. Um zu beurteilen, ob ein Ausländer Sozialhilfeleistungen unangemessen in Anspruch nimmt, werden folgende Details geprüft:

  • ob sich die betreffende Person in vorübergehenden Schwierigkeiten befindet,
  • die Dauer des Aufenthalts,
  • die persönlichen Verhältnisse der betroffenen Person,
    und
  • die Höhe der ihm gewährten Sozialhilfe.

Insbesondere ein lang andauernder und/oder vollständiger Bezug von Sozialhilfe ist ein starkes Indiz dafür, dass der Bezug von Sozialhilfe unangemessen ist. In diesem Fall verfügt die betreffende Person nicht über ausreichende Mittel zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts. Denn eine langjährige, volle Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen bedeutet eine unzumutbare Belastung für das nationale Sozialsystem insgesamt, wenn es für alle Unionsbürger vollständig geöffnet wäre. Eine "Freizügigkeit von Sozialleistungen" ist nicht gewollt.       

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